19.07.2023

„Hitzefrei gibt’s bei uns nicht!“

Vorsitzender-Stellvertreter Herbert Grassmugg im Interview über die Herausforderungen im Sommer und die dringendsten Anliegen.

Von MAG.ᵃ ANDREA BURCHHART
GÖD-Magazin 5/23

Sie vertreten die Interessen von mehr als 6.500 Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Baudienst. Welche Bereiche deckt die Bundesvertretung genau ab?

Scherz: Der größte Anteil entfällt dabei auf die Straßenmeistereien. Aber auch die Brückenmeistereien, Autobahnmeistereien, Güterwegmeistereien, Bauhöfe und Gewässerbezirke gehören zum Öffentlichen Baudienst. Gemeinsam sind wir für die Sicherheit auf Österreichs Straßen mitverantwortlich.

Gibt es organisatorische Unterschiede in den einzelnen Bundesländern?

Grassmugg: Neun Länder, neun Sitten, könnte man sagen. Dennoch verfolgt jedes Bundesland das gleiche Ziel: die Erhaltung und Instandsetzung der Straßen sowie deren Befahrbarkeit im Winter so wirtschaftlich, ressourcenschonend und effizient wie möglich zu gestalten. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen in der Organisation und Struktur des Straßenerhaltungsdienstes in den einzelnen Bundesländern ist eine österreichweite Vereinheitlichung des Betriebes nahezu unmöglich.

Im Sommer kommt es immer wieder zu regionalen Katastrophen wie Hochwasser, Murenabgängen etc., wo der Öffentliche Baudienst stark gefordert ist und seine Flexibilität unter Beweis stellen muss. Wie bereitet man sich auf derartige Ereignisse vor?

Scherz: Es gibt hier eine gut funktionierende, enge Zusammenarbeit mit dem Geologischen Dienst, der bei absehbaren Gefahren sofort informiert. Bei angekündigten Starkniederschlägen werden Bedienstete der Straßenmeistereien in Bereitschaft versetzt.

Grassmugg: Dazu möchte ich anmerken, dass viele Kolleginnen und Kollegen im Bedarfsfall auch ohne Bereitschaftsdienst ihren Dienst antreten. Das machen sie einfach, weil sie motiviert sind. Auch in der Steiermark werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Straßenerhaltungsdienstes und des Geologischen Dienstes in Bereitschaft versetzt und es wird erwartet, dass sie in ihrer Freizeit und auch in den Nachtstunden bereit sind, jederzeit ihre Arbeit aufzunehmen. Besoldungstechnisch sind wir vom Öffentlichen Dienst für diese Bereitschaftstätigkeiten und Nachtdienste weit von den Angeboten in der Privatwirtschaft entfernt. Das ist ein großes Problem.

Kolleginnen und Kollegen haben in der Vergangenheit immer wieder als „Feuerlöscher“ geholfen, z.B. bei der Corona-Krise mit Kurierdiensten oder auch bei Grenzeinsätzen – wie ist die aktuelle Situation? Hat sich Ihrer Meinung nach etwas in der öffentlichen Wahrnehmung geändert?

Grassmugg: Der Straßenerhaltungsdienst hat damit begonnen, Social Media zu nutzen. Während früher in der medialen Berichterstattung vor allem Feuerwehren oder das Bundesheer hervorgehoben wurden, werden heute auch unsere Leistungen im Katastrophenfall bekannt, weil die Medien unsere Informationen gerne aufgreifen und darüber berichten.

Scherz: Wir haben in der Corona-Krise einen unschätzbaren Beitrag geleistet, das wurde zum Teil gewürdigt, aber jetzt scheint es wieder vergessen. Wir müssen alles tun, um junge Menschen für unseren Beruf zu begeistern. Wie in allen Bereichen kämpfen wir um den Nachwuchs.

Ein großes Thema in den Sommermonaten ist die Hitze. Welche Lösungen gibt es, um mit der erhöhten Arbeitsbelastung umzugehen?

Scherz: Hitzefrei gibt es bei uns nicht! Wir achten sehr darauf, dass der Arbeitgeber seiner Sorgfaltspflicht nachkommt. So muss z. B. immer ausreichend Wasser zur Verfügung gestellt werden, ebenso ein entsprechender Sonnenschutz, Sonnencremes etc. Die Mannschaftscontainer wurden nach und nach mit Photovoltaik bzw. Klimaanlagen ausgestattet. Und natürlich werden die Arbeitszeiten nach Möglichkeit flexibel an die Temperaturen angepasst. So werden beispielsweise Mäharbeiten in die kühleren Morgen- oder Abendstunden verlegt. In einigen Bundesländern, wie bei uns in Niederösterreich, werden die Kolleginnen und Kollegen mittels einer App über bevorstehende Hitzetage bzw. -perioden informiert, um eventuell bei den Arbeitseinteilungen gegensteuern zu können.

Grassmugg: Hautkrebs ist ein wichtiges Thema. Zur Früherkennung und Risikoeinschätzung haben wir in der Steiermark, im Straßenerhaltungsdienst, 100 Abonnements für die App SkinScreener abgeschlossen, die die Kolleginnen und Kollegen kostenlos nutzen können. Muttermale werden gescannt und digital ausgearbeitet. Eine einfache und effektive Maßnahme, die gerne angenommen wird.

Sie sind als Expertinnen und Experten für die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit mitverantwortlich. Was genau sind die Arbeiten, die im Sommer zu erledigen sind?

Grassmugg: Das beginnt bei Mäharbeiten zur Einhaltung der erforderlichen Sichtweite, Reinigung und Reflexionsprüfung sämtlicher Verkehrseinrichtungen, Kehrarbeiten beispielsweise nach Starkregenereignissen, Freihalten von Entwässerungseinrichtungen, Baumkontrollen und Entfernen von Schadholz sowie Sanierungsarbeiten von Fahrbahnschäden.

Inwieweit sind die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Baudienst mit Grünflächenpflege und Müllentsorgung betraut?

Grassmugg: Diese Bereiche erfordern einen enormen Personal- und Geräteaufwand. Den Straßenerhalter kostet das Einsammeln und Entsorgen von Müll auf der Straße ungefähr 400 Euro je Straßenkilometer bzw. etwa 200 Euro je Kilometer Straßenrand. Das entspricht 3,5 Prozent der gesamten Erhaltungskosten.

Scherz: Die Arbeiten sind sehr zeitintensiv, das Müllsammeln kann nur händisch erfolgen. Um Kosten zu sparen und eine bestmögliche Verwertung der Altstoffe zu gewährleisten, werden die Altstoffe bereits bei der Sammlung sortiert, getrennt und nach Abfallfraktionen an befugte Entsorger übergeben.

Was sind die dringendsten Anliegen der BV 24?

Grassmugg: Die Wunschliste ist lang und es ist dringend notwendig, Anreize zu schaffen. Vermeintliche Kleinigkeiten wie das Job-Rad auch für Kollegen des Öffentlichen Dienstes beispielsweise wären ein Anfang. Wir haben einen schwierigen und fordernden Job zu machen, man darf nicht vergessen, die Kollegen auf der Straße sind permanenten Gefahren ausgesetzt. Das muss sich auch finanziell auszahlen! Ein altersgerechtes Arbeiten zu ermöglichen – Stichwort geblockte Altersteilzeit – sowie einen gerechten und geregelten Zugang zur Schwerarbeitspension wären dringend notwendig!

Scherz: In manchen Regionen ist es im Moment unmöglich, Facharbeiter zu bekommen. In unseren Straßenmeistereien arbeiten Professionisten aus den verschiedensten Berufen zusammen, vom Maurer bis zum Gärtner, am besten alle mit einem Lkw-Führerschein. Die Lehrausbildung zum Straßenfacharbeiter/ zur Straßenfacharbeiterin wurde nicht ohne Grund aus sechs Fachbereichen zusammengestellt.