Pflege ist Beziehung
VON MAG.a ANDREA BURCHHART
Weltweit gingen Menschen am Internationalen Tag der Pflege, dem 12. Mai, auf die Straße. Auch in Österreich wurde für bessere Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen demonstriert. Seit Jahren ist bekannt: Wir brauchen mehr Pflegekräfte!
Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft, kennt die Zahlen: „Wir sind schon an der absolut höchsten Dringlichkeitsstufe angelangt. Laut der Gesundheit-Österreich-Studie aus dem Jahr 2021 fehlen uns bis 2030 76.000 zusätzliche Pflegekräfte. Allein um die 41.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den nächsten acht Jahren in Pension gehen werden, zu kompensieren, müssten etwa zehn Prozent aller Maturantinnen und Maturanten ab sofort in die Pflegeausbildung. Leider hat sich die Situation wie von uns prophezeit mit der Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 2016 noch einmal deutlich verschärft.“
Hallo, Pflegefachassistenz!
Während jährlich ca. 580 Ausbildungsplätze an Niederösterreichs Gesundheits- und Krankenpflegeschulen wohnortnah und 180 Plätze an den Fachhochschulen zur Verfügung standen, sind es an den drei FH-Standorten des Bundeslandes insgesamt 450. Das Problem: Das schulische Diplom läuft aus, die Plätze an den Fachhochschulen wurden aber nicht in gleichem Maße ausgebaut.
„Einige Bundesländer, wie die Steiermark und Salzburg, rudern gerade zurück, sie wollen an der dreijährigen Diplomausbildung an den Krankenpflegeschulen festhalten. Die Idee, die Pflegefachassistenz als attraktiven Beruf und die sprichwörtliche Frau oder den Mann am Bett zu installieren, ist in der breiten Bevölkerung überhaupt noch nicht angekommen. Hier brauchen wir dringend Aufklärungsarbeit und Imagepflege“, so Waldhör.
Dabei sind die Assistenzberufe für einen reibungslosen Krankenhausalltag wichtig. Und auch hier braucht es eine gute, fundierte und vor allem praxisorientierte Ausbildung. „Die Erwartungen an die Pflegefachassistenz ist groß. Sie soll gemäß der Anleitung des gehobenen Dienstes, der für die Pflegediagnostik verantwortlich ist, selbständig und eigenverantwortlich Pflegeleistungen sicher und in höchster Qualität erbringen“, erklärt die Diplomierte Gesundheits- und Krankenspflegerin, Betriebsrätin und stellvertretende Direktorin GuKPS Hollabrunn Helga Gössl.
„Es ist derzeit nicht angedacht, dass jemand nach dieser Ausbildung in die Spezialisierung gehen kann. Weiterbildungen wie Intensivpflege, Anästhesiepflege, Psychogeriatrische Pflege, Pflege im Operationsbereich oder Krankenhaushygiene sind Diplomiertem Personal bzw. Bachelor-Absolventen vorbehalten. Ich denke, wir müssen hier ganz intensiv über Entwicklungsmöglichkeiten für die Pflegefachassistenz nachdenken“, fasst Josef Brandstötter, Direktor der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege in Hollabrunn zusammen.
Um mehr Menschen in die Pflegeberufe zu holen, entsteht bis 2026 in Klagenfurt ein neuer Gesundheitscampus. „Die Studienplätze werden von derzeit 800 auf 1.200 aufgestockt, sieben Gesundheitsberufe können studiert werden. Bei Biomedizinische Analytik, Ergotherapie, Gesundheits- und Krankenpflege, Hebammen, Logopädie, Physiotherapie und Radiologietechnologie handelt es sich allesamt um Bachelorstudien, so dass auf einheitlichem Niveau ausgebildet wird“, begrüßt der Landesvorsitzende der Gesundheitsgewerkschaft und Betriebsratsvorsitzender der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft Kabeg, Ronald Rabitsch, das zukunftsweisende Projekt.
Hereinspaziert, Praxis!
Der Andrang in die Ausbildungen variiert stark. „In unserem größten Studiengang, der Gesundheits-und Krankenpflege, nehmen wir bei 108 Studienplätzen bis zu 120 Personen auf, hier lagen wir in den letzten Jahren zwischen 250 und 320 Bewerberinnen und Bewerbern“, so Rabitsch.
Während sich beim Studiengang Physiotherapie bis zu 15-mal mehr Bewerberinnen und Bewerber für einen Studienplatz interessieren, gibt es mit Stand April 2022 gerade mal 42 Interessentinnen und Interessenten für die Pflegeassistenz.
In Niederösterreich werden die Assistenz-Ausbildungskosten vom Land übernommen, die Auszubildenden bekommen ein Taschengeld von 420 Euro, verpflichten sich damit gleichzeitig, nach Ende der Ausbildung für ein bzw. zwei Jahre im Landesdienst zu arbeiten. In Kärnten ist geplant, PFA-Auszubildende direkt bei der Landeskrankenanstalt anzustellen. Damit erhalten sie monatlich einen Lohn und würden vom Kabeg-Betriebsrat vertreten. Für FH-Studierende ist geplant, eine monatliche Ausbildungsprämie zu bezahlen. Wünschenswert wäre jedenfalls, ein österreichweit einheitliches Fördersystem zu implementieren, sind sich Rabitsch und Waldhör einig.
Wiedersehen, Überforderung!
Alle Pflege- und Gesundheitsberufe – die GÖD-Gesundheitsgewerkschaft vertritt „vom Portier bis zum Primar“ – müssen nachhaltig attraktiver gemacht werden. Es braucht Maßnahmen zu Dienstplantreue und endlich eine österreichweit einheitliche Pflegepersonalbedarfsberechnung, Löhne müssen entsprechend der Verantwortung und Qualifikation angepasst werden. Die Pandemie hat für alle deutlich erkennbar gemacht, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitssystem ist, wo Menschen ihrer Berufung nachgehen können.
Pflege hinter Gittern
In gefährlichem Arbeitsumfeld ist gute Zusammenarbeit wichtig
Von DGKP CHRISTIAN HUSCH, BSC MSC MSC
In Österreichs Haftanstalten werden tausende Insassen fachlich betreut und versorgt. Aufgrund des sehr speziellen und gefährlichen Arbeitsumfelds ist eine enge Zusammenarbeit der Pflegefachkräfte mit der Justizwache unerlässlich.
Der gehobene Dienst für Gesundheits-und Krankenpflege ist für die Betreuung und Versorgung der inhaftierten Personen zuständig.
Dieses Aufgabenfeld ist sehr herausfordernd und komplex und umfasst
• die Unterstützung und Anleitung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens
• die Vorbereitung und Ausgabe von Medikamenten und Suchtmittelersatz
• Hilfestellung bei gesundheitlichen und psychischen Problemen
• Durchführung von Therapien, Behandlungen und Wundmanagement
• die Pflege ist gemeinsam mit der Justizwache unmittelbarer Ansprechpartner
Zusätzlich sorgt sie
• für die Bestellung und Verwaltung von Verbrauchsmaterialien
• die Einhaltung der hygienischen Richtlinien sowie
• für die Gebarung und Verwaltung von Medikamenten
Unsere KollegInnen arbeiten ständig unter hohem Gefahrenrisiko und extremen Leistungsdruck.
Sie fordern daher:
• Umstellung auf das gegenüber anderen Einrichtungen konkurrenzfähige WGehaltsschema (W2/11) inklusive aller Zulagen. MitarbeiterInnen müssen für ihre Leistungen angemessen entlohnt und der Bund attraktiver für Bewerbende werden
• Zeitgemäße Adaptierung bereits bestehender Zulagen
• Schaffung einer Gefängniszulage, da der Strafvollzug ein Spezialbereich innerhalb des Pflegeberufs ist
• Gewährung der Psychiatriezulage, da es sich in der Forensik um eine psychiatrische Disziplin handelt, in der vorwiegend psychisch kranke Rechtsbrecher betreut werden
• Zwei Nachtgutstunden pro geleisteten Nachtdienst, wie es bei anderen Institutionen längst üblich ist
• Nachtdienstentschädigung in Höhe von mindestens 80 Euro netto pro geleisteten Nachtdienst
• Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Personalbedarfsberechnung, um vorhersehbare Engpässe rechtzeitig kompensieren zu können
• Anpassung der Planstellenbewirtschaftung an die neu geschaffenen Assistenzberufe (Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz) und den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege/BSc ist notwendig, da sich die Tätigkeitsfelder verändert haben
• In Anbetracht der außergewöhnlichen körperlichen und psychischen Belastungen sowie des geringen Personalstandes ist eine Aufstockung der Pflegebediensteten dringend erforderlich
• Etablierung einer chefpflegerischen Leitung in der Generaldirektion
Obwohl die professionelle Pflege und die Justizwache unterschiedliche Berufsgruppen darstellen, verfolgen sie gemeinsame Ziele: Sicherheit, Betreuung, Versorgung.