27.05.2024

Die beste Idee, die Europa je hatte

Am 9. Juni 2024 findet die EU-Wahl statt. Am 14. Mai lud die GÖD Kandidaten der proeuropäischen Parteien zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Demokratie leben, Europa stärken“ in den GÖD-Saal in Wien ein. Vor zahlreichen Funktionär:innen und Mitgliedern tauschten Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ) und Thomas Waitz (Die Grünen) ihre Positionen und Ziele für ein besseres Europa aus. Neben der Außen- und Sicherheitspolitik liegen die Herausforderungen im Klimaschutz und der Stärkung der EU als Wirtschaftsstandort.
Aus dem GÖD-Magazin von Carina Wurz.

 

Zu Beginn der Diskussionsveranstaltung richtete GÖD-Vorsitzender Eckehard Quin den Blick in die Vergangenheit und erinnerte an jene Zeit, in der Europa durch Kriege gespalten war. Aus seiner Sicht rechtfertigt allein der längste andauernde Frieden zwischen den europäischen Ländern, die davor über Jahrhunderte beständig gegeneinander Krieg führten, die Europäische Union. „Es mag zurecht an einigen Themen in der EU Kritik geben. Aber das Friedensprojekt Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte“, hält Quin fest. In diesem Verständnis rief er alle auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und die konstruktiven Kräfte in der EU zu stärken.

Sicherheit für Europa
Am Podium waren sich die drei Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Nationalratsabgeordneter ReinholdLopatka sowie die EU-Parlamentarier Andreas Schieder und Thomas Waitz – er steht hinter Lena Schilling auf Platz 2 der grünen Liste –, einig, worin die größte Herausforderung für die Europäische Union in den nächsten Jahren liegt: Die Bedeutung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch einmal zugenommen: „Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt: Es gilt nicht mehr nur die Stärke des Rechts, sondern auch wieder das Recht des Stärkeren. Dem gilt es, entschlossen entgegenzutreten“, betont Andreas Schieder. Er setzt sich für eine gemeinsame, rot-weiß-rote Sicherheits- Strategie ein, die sowohl militärische Sicherheit wie auch Cybersecurity und Katastrophenschutz auf europäischer Ebene vorantreibt. Lopatka sieht dabei keinen Widerspruch zu einer europäischen Verteidigungspolitik und der österreichischen Neutralität: „Innerhalb der EU haben wir seit dem Beitritt eine Beistandspflicht den anderen Mitgliedern gegenüber, wenn auch nicht militärisch. Viel wichtiger ist aber unsere Neutralität außerhalb der EU – hier werden wir sie auch weiterhin entschlossen verteidigen und nutzen“, erklärt er. Der gemeinsame Schutz der Außengrenzen ist auch Voraussetzung für Fortschritte in der europäischen Asylpolitik: „Der Asyl- und Migrationspakt ist ein entscheidender Schritt, um endlich ein gemeinsames Vorgehen zu sichern und für eine faire Aufteilung der Asylwerber zwischen den Staaten zu sorgen. Wir müssen alle Kraft in den Außengrenzschutz, in koordinierte Rückführungen sowie schnellere Verfahren investieren“, so Schieder. Lopatka ergänzt, dass nur ein effektiver Schutz der Außengrenzen, für den es die Zusammenarbeit mit Drittstaaten braucht – die Freizügigkeit innerhalb der EU weiterhin ermöglicht.

 

„Made in Europe“
Für eine gute Zukunft Europas hat die Sicherung des Wohlstands Priorität. Dazu braucht es laut Thomas Waitz gemeinsame Regeln auf europäischer Ebene: „Es geht um einheitliche soziale Mindeststandards, um zu verhindern, dass sich die Mitgliedstaaten gegenseitig unter Druck setzen – etwa bei den Mindestlöhnen“, meint er. Gleiches gelte bei Umweltstandards: „Wir sind hier schon sehr weit, andere nicht. Wir brauchen innerhalb der EU aber gleiche Wettbewerbsbedingungen und daher auch europäische Regelungen, die für uns in Österreich längst selbstverständlich sind“, ist Waitz überzeugt. Für einen funktionierenden Binnenmarkt im Einklang mit den Klimazielen sei die Vernetzung der Staaten im Schienenverkehr entscheidend, insistiert Reinhold Lopatka: „Es ist derzeit nahezu unmöglich, den Güterverkehr grenzüberschreitend auf die Schiene zu verlegen, da in jedem Land andere Regelungen gelten. Hier haben wir dringenden Handlungsbedarf“. Auch das Schließen von Steuerschlupflöchern innerhalb der EU ist wesentlich, um Europa als gemeinsamen Wirtschaftsraum zu stärken. Krisen hätten auch gezeigt, wie problematisch die Abhängigkeit Europas von China und den USA ist. Aktuelle Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten machen das ebenfalls deutlich. Schieder fordert daher: „Es ist wichtig, dass wir möglichst viele Produkte „Made in Europe“ kaufen können – und nicht nur „Made in China“. Damit unsere hohen Standards wettbewerbsfähig bleiben, brauchen wir Vorrang für EU-Produkte in öffentlichen Ausschreibungen.“

Öffentlicher Dienst: Grundlage einer funktionierenden Union
Dem Öffentlichen Dienst kommt bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union eine wichtige Bedeutung zu – darin ist sich das Podium einig. „Allein, wenn wir davon reden, den Wirtschaftsstandort zu stärken, geht es dabei auch um Verfahrensqualität und eine funktionierende Verwaltung“, ist Reinhold Lopatka überzeugt. Auch die Ausgestaltung von EURegelungen auf nationaler Ebene sei eine wesentliche Aufgabe, mit der der Öffentliche Dienst das Leben in der Europäischen Union mitgestalte. Andreas Schieder betont, dass die Verwaltung in den Staaten der EU sehr unterschiedliche Qualität aufweist. „Für die Bevölkerung vieler Länder, die einen EU-Beitritt anstreben, ist der Wunsch nach einem funktionierenden
Staat – also einer funktionierenden Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen und so weiter – und dem Ende von Korruption auf allen Ebenen groß“, betont er. Letztendlich hänge auch das Vertrauen in die Politik stark davon ab, ob sich die Bürger:innen von der Verwaltung fair behandelt fühlten. Waitz sieht Chancen in der Verstärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Verwaltung in verschiedenen Bereichen: „Es hat unter anderem die Corona-Krise gezeigt, dass auch im Gesundheitsbereich Vernetzung sinnvoll wäre. Bei der Digitalisierung können wir etwa von den baltischen Staaten noch lernen, wie die Verwaltung damit noch bürgernäher und effizienter werden kann“, so Waitz.

 

Europa weiterentwickeln, nicht zerstören:
Wir erleben heute viele Vorzüge der EU als selbstverständlich: Die gemeinsame Währung, den freien Handel oder die offenen Grenzen. Auch „Kleinigkeiten“, wie der Wegfall von Roaming-Gebühren erleichtern unsere Bewegungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union. Anderes bringen wir im Alltag nicht sofort in Zusammenhang mit der EU: „Stabilität, Friede und Wohlstand wären ohne die Europäische Union nicht in diesem Ausmaß möglich“, betont Andreas Schieder. Dazu braucht es gemeinsame Regelungen, die aber nicht überschießend sein sollen: „Die EU soll sich darauf konzentrieren, wo sie einen Mehrwert schaffen kann. Subsidiarität und Föderalismus sind wichtige Grundsätze, manches können die Nationalstaaten besser für sich regeln“, hält Reinhold Lopatka fest. Wesentlich sei aber, die gemeinsamen Werte in der EU zu stärken: „Wenn Staaten gegen die Grundrechte verstoßen, braucht es ein entschiedenes Vorgehen, das durch das Einstimmigkeitsprinzip oft verhindert wird“, so Thomas Waitz. Einigkeit am Podium besteht in einem Grundsatz: Die wichtigste Kultur in der EU ist die demokratische Kultur. „Es dürfen bei der kommenden Wahl nicht jene Aufwind bekommen, die Europa zerstören wollen und damit unseren Wohlstand und unseren Frieden in Gefahr bringen“, formuliert Reinhold Lopatka deutlich. So endet eine spannende Podiumsdiskussion zur Zukunft Europas mit einem klaren, gemeinsamen Appell: „Wen auch immer Sie am 9. Juni wählen: Wählen Sie eine Partei, die es gut meint mit Europa!“

Veranstaltungsrückblick: