18.04.2024

Die Überwachungsrechte des Betriebsrates

Überwachungsrechte sichern die Arbeitnehmer:innen

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 3/2024
von Mag. Stefan Jöchtl

 

Um den Arbeitnehmer:innen die individuell nur sehr begrenzt mögliche Kontrolle der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen und gesetzlichen Schutznormen, aber auch der Gleichbehandlung zu ermöglichen, räumt das Arbeitsverfassungsgesetz dem Betriebsrat (aber auch jedem Betriebsratsmitglied alleine) ein umfassendes Überwachungsrecht, das natürlich und gerade auch vorbeugend, also ohne besonderen Anlass, ausgeübt werden kann, ein und legt beispielhaft genannte konkrete Kontroll- und Einsichtsrechte fest.

Als wesentliches Kontrollrecht kommt dem Betriebsrat das Recht zu, in die vom Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer:innen und die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen, sie zu überprüfen und die Auszahlung zu kontrollieren sowie generell die Einhaltung der die Arbeitnehmer:innen des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften, daher der für den Betrieb geltenden Kollektivverträge, der Betriebsvereinbarungen und sonstiger arbeitsrechtlicher Vereinbarungen, zu überwachen1. Diese Einsichtsrechte stehen dabei immer dem jeweils zuständigen Betriebsrat zu, also bei getrennten Betriebsräten jeweils dem der betreffenden Gruppe, bei gruppenübergreifenden Themen aber auch dem Betriebsausschuss.

Reichweite der Einsichtsrechte
Ein Überwachungsrecht kann der Betriebsrat aber nur dann wirkungsvoll wahrnehmen, wenn er in Kenntnis der dafür erforderlichen Information ist bzw. sich diese durch Einsicht in die entsprechenden Unterlagen beschaffen kann. Nur wenn er also in sämtliche relevante Dokumente und Aufzeichnungen des Betriebes Einsicht nehmen kann, kann er auch seiner Pflicht, die Einhaltung der die Arbeitnehmer:innen des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen, nachkommen. Damit besteht zwar kein uneingeschränktes Einsichtsrecht, dieses geht aber immer so weit, als es eben konkret erforderlich ist. So entsteht etwa durch die Befugnis, die Richtigkeit der Anrechnung von Vordienstzeiten zu überprüfen, ein Einsichtsrecht in jene Unterlagen, aus denen die Berechnung hervorgeht. Soweit dazu im Betrieb entsprechende Berechnungsblätter erstellt werden, ist damit eine Einsicht in die Einzelverträge, die nötigenfalls auch zu gewähren wäre, nicht erforderlich2. Gleiches wird für Arbeitsplatzbeschreibungen gelten, wenn diese Grundlage für die Zuordnung zu einem Entlohnungsschema sind. Auch die Kontrolle der Einhaltung von Betriebsvereinbarungen kann die Einsicht in spezifische (und eben auch personenbezogene) Unterlagen erfordern.
Das Einsichtsrecht besteht auch hinsichtlich der Einhaltung von betrieblichen Übungen, soweit diese zumindest einen Teil der Belegschaft betreffen, z. B. im Zusammenhang mit der Diensteinteilung3. Inhaltlich kann das Einsichtsrecht dabei auch so weit reichen, dass dem Betriebsrat schriftliche Aufstellung über bestimmte Grundlagen aus dem Rechnungskreis des Arbeitgebers zu übermitteln sind, wenn von diesen etwa mit Betriebsvereinbarung eingerichtete Wohlfahrtsmaßnahmen abhängen4.

Datenschutzrechtlicher Aspekt
Nach der Judikatur des OGH werden dabei die Befugnisse des Betriebsrates durch das Datenschutzrecht der Arbeitnehmer:innen grundsätzlich nicht beschränkt. Dabei ist besonders zu betonen, dass angesichts der vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung durch ein Betriebsratsmitglied davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den Betriebsrat (dessen Mitglieder) geschaffen hat. Wenn etwa das Recht auf Einsicht in die Bezüge nur mit individueller Zustimmung jeder/s einzelnen Arbeitnehmer:ins zulässig wäre, dann würde dies die Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrates im Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen und überdies bestünde die Gefahr, dass einzelne Arbeitnehmer:innen vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des Betriebsrates zu verhindern5.

Betriebsbesichtigungen
Um die Einhaltung v. a. der Arbeitnehmerschutzbestimmungen überprüfen zu können, kann der Betriebsrat (und wiederum natürlich auch jedes Betriebsratsmitglied alleine) von sich aus die betrieblichen Räumlichkeiten, Anlagen und Arbeitsplätze grundsätzlich jederzeit (aber ohne unnötige Störung der Betriebsabläufe) besichtigen. Von jedem Arbeitsunfall ist der Betriebsrat unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Finden Betriebsbesichtigungen im Zuge behördlicher Verfahren statt, bei denen die Interessen der Arbeitnehmerschaft berührt werden (daher etwa bei Bauverfahren oder Betriebsanlagengenehmigungen) oder sind Organe, die zur Überwachung der Arbeitnehmerschutzvorschriften berufen sind (also idR die Arbeitsinspektion), zumindest daran beteiligt, muss der der Betriebsinhaber den Betriebsrat von einer anberaumten Verhandlung sowie von der Ankunft eines behördlichen Organs (etwa bei einer unangekündigten Kontrolle) unverzüglich verständigen und der Betriebsrat kann an diesen Terminen teilnehmen. Dabei kann und soll der Betriebsrat natürlich aktiv auf die  Berücksichtigung der Interessen der Belegschaft hinwirken.

 


1 §89 ArbVG.
2 OGH 9ObA 115/17b.
3 OGH 9ObA 9/19t.
4 OGH 9ObA 51/22y.
5 OGH 6ObA 1/14m.