28.07.2024

„Neue“ Berufskrankheiten ab 1. März 2024

Für alle in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 4/2024
von Mag. Stefan Jöchtl

 

Berufskrankheiten
Neben der Vorsorge für Arbeits(Dienst-)unfälle erbringt die gesetzliche Unfallversicherung auch Leistungen im Falle des Vorliegens einer Berufskrankheit1. Mit der Schaffung des ASVG 1955 wurde die Berufskrankheit als eigener Versicherungsfall definiert und die Liste der Berufskrankheiten gesetzlich festgelegt. Da das B-KUVG alle in der Liste des ASVG bezeichneten Krankheiten als Berufskrankheiten anerkennt2, wirkt sich jede Änderung dieser Liste unmittelbar auch auf alle BVAEB-Versicherten aus. Als Berufskrankheit gelten nicht alle beruflich erworbenen oder ausgelösten Erkrankungen, sondern nur solche, die in bestimmten Berufsgruppen bzw. bei bestimmten Expositionen deutlich häufiger3 auftreten als in der Normalbevölkerung. In der Stammfassung waren 39 Berufskrankheiten definiert, die bis 29. Februar 2024 geltende Liste umfasste 53 derartige Krankheitsbilder und wurde zuletzt 2012 angepasst.

Bei einzelnen Berufskrankheiten besteht eine Eingrenzung auf bestimmte Tätigkeiten bzw. Berufsgruppen oder Unternehmen, weil nur in diesen Gruppen bzw. bei diesen Tätigkeiten eine entsprechende höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit gegeben ist. So sind zum Beispiel durch Zeckenbiss übertragbare Krankheiten (z. B. FSME oder Borre-liose) nur bei einer Tätigkeit in Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft sowie in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht, als Berufskrankheit anerkannt. Im Unterschied zum Arbeits(Dienst-)unfall liegt bei der Berufskrankheit meist nicht eine plötzliche schädigende Einwirkung vor und die Erkrankung entsteht erst durch eine längerdauernde Einwirkung oder Belastung. So z. B. bei der beruflich verursachten Lärmschwerhörigkeit, die in der Regel nicht auf eine einzelne, bestimmte Lärmexposition zurückzuführen ist, sodass eine Zuordnung zu einem Arbeits(Dienst-) unfall nicht möglich wäre. Es gibt zwar auch im Rahmen der Berufskrankheiten solche, die durch eine akute Einwirkung auftreten, so vor allem bei den Infektionskrankheiten. Hier liegt der Vorteil der Anerkennung als Berufskrankheit darin, dass es ausreicht, zu beweisen, dass das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist, ohne dass ein einzelner, konkreter Vorfall zu belegen wäre.

Neuerungen ab März 2024
Mit dem Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz4 wurden vier neue Berufskrankheiten anerkannt und (mangels praktischer Relevanz) Erkrankungen durch Thomasschlackemehl aus der Liste gestrichen. Zugleich wurde die Systematik der Liste grundlegend verändert, sodass diese statt der Gliederung in bisher 53 Nummern nun in acht Hauptgruppen (1. Erkrankungen der Atemwege und der Lunge, 2. Erkrankungen der Haut, 3. Infektionskrankheiten, Erkrankungen durch Parasiten, Tropenkrankheiten, 4. Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats, 5. Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten, 6. Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten, 7. Maligne Erkrankungen und 8. Sonstige) mit Unterfällen strukturiert ist. Die damit gegebene bessere Lesbarkeit und einfachere Einordnung bzw. Auffindbarkeit von Erkrankungen soll auch einen niederschwelligen Zugang und damit eine höhere Verbreitung in den unterschiedlichen Facharztgruppen bewirken. So wurden auch bewusst als solche kenntlich gemachte Doppelzuordnungen vorgenommen, womit die Liste nun 73 Positionen umfasst5.

Neu aufgenommen wurden folgende Erkrankungen:

  • Hypothenar-/Thenar-Hammersyndrom (eine Gefäßschädigung der Hand, die durch schlagartige Bewegungen verursacht wird)
  • Fokale Dystonie bei Instrumentalmusikerinnen und -musikern (eine neurologische Erkrankung, die zu Muskelkrämpfen bzw. Bewegungsstörungen führt)
  • Plattenepithelkarzinom, aktinische Keratosen der Haut durch UV-Exposition (eine Form von Hautkrebs bzw. dessen Vorstufe)
  • Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs ) nach Asbest-Exposition

Bezogen auf diese neuen Berufskrankheiten werden Leistungen (auch an Hinterbliebene6) ab 1. März 2024 erbracht, auch wenn die Erkrankung bereits vorher bestanden hat7, wenn eine Antragstellung bis 28. 2. 2025 erfolgt. Bei Antragstellung danach gebühren wie sonst auch Leistungen frühestens ab dem Tag der Antragstellung.

 


1 § 177 ASVG.
2 § 92 Abs 1 B-KUVG.
3 Das ist dann der Fall, wenn durch wissenschaftliche Evidenz belegt ist, dass eine bestimmte Krankheit bei bestimmten beruflichen Expositionen mindestens doppelt so häufig auftritt wie in der Allgemeinbevölkerung (Verdoppelungsrisiko).
4 BGBl I 18/2024.
5 Die Nummer 5.2.3. wurde irrtümlich doppelt vergeben und die Nummer 6.2.11 ausgelassen.
6 Wurde der Tod von Versicherten durch einen Arbeits(Dienst-)unfall oder eine Berufskrankheit verursacht, so gebührt der Witwe oder dem Witwer (eingetragene Partner) und Waisen (grds. bis zum 18. LJ) sowie unter besonderen Umständen auch Eltern-, Großeltern- bzw. Geschwistern eine Rente.
7 Sofern der Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 31. 12. 1955 liegt.