Stellungnahme Informationsfreiheitsgesetz
Sehr geehrte Damen und Herren!
In offener Frist übermittelt die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ihre Stellungnahme zum gegenständlichen Entwurf.
Allgemeines
Die GÖD begrüßt die Intention, staatliches Handeln transparenter zu machen. Es sollten jedoch die Konflikte, die sich im Spannungsfeld zwischen Informationsfreiheit und Geheimhaltung bzw. Datenschutz ergeben, anhand von klaren Bestimmungen aufgelöst und durch Regelungen mit scharf abgrenzbaren Begriffen gesetzlich vorgegeben werden.
Leider finden sich im Entwurf viele unbestimmte und auslegungsbedürftige Gesetzesbegriffe. Insbesondere enthält der Entwurf Unklarheiten betreffend die zentrale Frage, wann eine Information der Geheimhaltung unterliegt. Somit werden die Abwägungsentscheidungen im Bereich des öffentlichen Dienstes von öffentlich Bediensteten zu treffen sein und in der hier vorgegebenen Systematik auch zu einer umfangreichen Befassung der Gerichte führen.
Beim Vollzug dieser Regelungen würde auch ein erheblicher Mehraufwand für öffentlich Bedienstete bedingt durch das Verfahren selbst, das Aufarbeiten der Informationen sowie die Beauskunftung und den anschließenden Rechtsschutz entstehen. Personal müsste nicht nur in der Datenschutzbehörde und den Gerichten, sondern auch im Bereich der für die Administrierung der Grundrechte
zuständigen Organe aufgenommen werden. Es ist daher völlig unverständlich, dass in der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung behauptet wird, dass „längerfristig von einer Kostenneutralität der Erledigung der Anträge aufInformation im Vergleich mit den bisherigen Verfahren nach den aufzuhebenden Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder auszugehen“ sei.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum das Informationsrecht „jedermann“ zusteht. Warum sollen die in § 1 IFG genannten Organe und Unternehmungen etwa einem australischen Staatsbürger, der in Südamerika lebt, nie in Österreich war und nie dorthin kommen möchte, auskunftspflichtig sein und damit Verwaltungskosten auslösen dürfen?
Weiters müssen dienstrechtliche Regelungen angepasst werden (etwa diejenigen, die derzeit Regelungen hinsichtlich der Amtsverschwiegenheit enthalten) und Abstimmungen mit dem neu geschaffenen Grundrecht erfolgen.
Die GÖD fordert daher u. a:
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Die vielen Unklarheiten im Entwurf müssen beseitigt werden.
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Zum Schutz der Bediensteten muss es die Möglichkeit geben, vor der Entscheidung bei einer zuständigen Stelle eine verbindliche Entscheidung einholen zu können.
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Transparenz ist zu begrüßen. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum öffentliche Unternehmungen bzw. solche, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, wettbewerbsverzerrenden Verpflichtungen unterliegen. Es erscheint erforderlich und sachgerecht, die Auskunftsverpflichtung gesetzlich auf jene Fälle zu beschränken, in denen es um Anfragen zur Beteiligung der öffentlichen Hand geht.
Weitere Forderungen und detaillierte Kritikpunkte werden im Folgenden erläutert.
Informationsfreiheitsgesetz:
ad § 2: Die Definition von „Information“ in Abs. 1 ist viel zu unbestimmt. Mögliche Abgrenzungen, die in den Erläuterungen beschrieben werden, folgen nicht zwingend aus dem Gesetzestext wie etwa: „Persönliche Aufzeichnungen stellen ebenso wenig „amtliche“ oder „unternehmerische“ Informationen dar wie Vorentwürfe zum ausschließlichen Zweck der persönlichen (nichtamtlichen, nichtunternehmerischen) Verwendung.“
Dasselbe gilt für die Definition von „Informationen von allgemeinem Interesse“ in Abs. 2. In den Erläuterungen heißt es dazu: „Ein allgemeines Interesse kann für Informationen angenommen werden, solange sie aktuell und relevant sind.“ ImGesetzestext selbst ist Aktualität kein Kriterium, sondern nur Relevanz – und das macht einen großen Unterschied. Ein vor längerer Zeit abgeschlossenes Genehmigungsverfahren etwa ist sicher nicht mehr aktuell, aber bei vermuteten Unregelmäßigkeiten möglicherweise relevant.Selbst die Erläuterungen sind oftmals ungenau: „Informationen zum rein internen Gebrauch, wie etwa zu Fragen der Ablauforganisation, werden grundsätzlich eher nicht im allgemeinen Interesse liegen.“ Eher nicht? Wann schon?
ad § 4: Eine verfassungsgesetzliche Veröffentlichungspflicht von Informationen im allgemeinen Interesse sowie ein verfassungsgesetzliches Recht auf Zugang zu Informationen zu schaffen, ohne ein adäquates technisches System zur Verfügung zu haben, wäre vom Verwaltungsaufwand her wohl nicht bewältigbar. Daher sollte dieses Bundesgesetz schon Inhalt dieses Entwurfs sein – und nicht bloß die Ankündigung, dass es ein solches Gesetz geben wird. Ohne Kenntnis dieses Gesetzes entzieht sich die Bestimmung einer Beurteilung hinsichtlich der operativen Machbarkeit.
ad §§ 2, 5 und 6: Die Begriffe „Information“ und „Informationen von allgemeinem Interesse“ sind sehr weit gefasst. Die Veröffentlichungspflicht von Informationen von allgemeinem Interesse sowie das Recht auf Zugang zu Dokumenten sollen als Grundrecht gewährleistet sein, sofern die Informationen nicht der Geheimhaltung unterliegen. In § 6 wird einfachgesetzlich näher ausgeführt, wann ein Eingriff in das Grundrecht erfolgen darf und Informationen der Geheimhaltung unterliegen.
Eingriffe in Grundrechte müssen besondere Qualitätsmerkmale erfüllen. Dazu gehört neben der Verhältnismäßigkeit auch, dass Eingriffe klar und bestimmt formuliert sein müssen. Weiters trifft bei eingriffsnahen Gesetzen im Schutzbereich von Grundrechten den Gesetzgeber eine spezifische Determinierungspflicht. Die Tatbestände müssen besonders deutlich umschrieben werden. Dies folgt aus dem Legalitätsprinzip gem. Art. 18 Abs. 1 B-VG. Es reicht hier nicht, unbestimmte Gesetzesbegriffe zu verwenden.
Beispielsweise ist in § 6 Abs. 1 Z 5 ausgeführt, dass Informationen „im Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung“ der Geheimhaltung unterliegen. Da das Fällen von Entscheidungen den Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit sowie der gerichtlichen Tätigkeit bildet, ist fraglich, wann dieser Tatbestand nicht erfüllt ist. Andererseits wird in § 6 Abs. 1 Z 7 angeordnet, dass Informationen geheim zu halten sind, wenn die Geheimhaltung im überwiegenden Interesse eines anderen nach Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen erforderlich und verhältnismäßig und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist.
Ungelöst ist, wie öffentlich Bedienstete diesen Widerstreit an Grundrechten auflösen sollen, um nicht gegen eine ihrer Dienstpflichten zu verstoßen. Wie eine Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen möglich sein soll, ohne Information über die Person der Antragstellerin / des Antragstellers und dessen Beweggründe zu haben, bleibt völlig offen.
ad § 6 Abs. 2: Trifft die Pflicht zur Geheimhaltung nur auf einen Teil der Information zu, unterliegt nur dieser der Geheimhaltung.
Das kann man unterschiedlich interpretieren. Besteht ein Akt aus mehreren Schriftstücken, könnten die Schriftstücke, in denen geheim zu haltende Daten enthalten sind, zur Gänze der Geheimhaltung unterliegen. In den Erläuterungen ist jedoch zu lesen: „Ein Schutz kann etwa auch durch teilweise Unkenntlichmachung erfolgen.“ Damit müsste aber jedes Wort eines Aktes gelesen, beurteilt und in Folge eventuell geschwärzt werden, was einen enormen Verwaltungsaufwand verursacht, der außerdem nur von juristisch geschultem Personal erledigt werden kann.
ad § 9 Abs. 2: Lt. dieser Bestimmung ist die (teilweise) Information zu erteilen, „sofern dies möglich und damit kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden ist.“ In den Erläuterungen heißt es dazu: „Ebenso wenig begründen knappe odermangelnde Ressourcen des Informationspflichtigen in jedem Fall und ohne Weiteres einen unverhältnismäßigen Aufwand.“ Wann ist dann aber der Aufwand unverhältnismäßig? Im in den Erläuterungen zitierten VwGH-Erkenntnis ist dazu gar nichts zu finden. Die zitierte Entscheidung des EGMR beantwortet diese Frage leider auch nicht.
ad § 9 Abs. 3: Demnach ist der Zugang zur Information nicht zu erteilen, wenn der Antrag auf Information offenbar missbräuchlich erfolgt oder wenn bzw. soweit die Erteilung der Information die sonstige Tätigkeit des Organs wesentlich und unverhältnismäßig beeinträchtigen würde.
Weil das Informationsrecht „jedermann“ ohne jegliche Begründung zusteht, lässt sich aus dem gesamten Gesetzestext kein Fall erschließen, in dem ein Antrag formal missbräuchlich erfolgt. Auch die Erläuterungen sagen darüber nichts aus.
Weiters ergibt sich ein gewisser Widerspruch, wenn einerseits die Informationserteilung unterbleiben kann, „wenn bzw. soweit die Erteilung der Information die sonstige Tätigkeit des Organs wesentlich und unverhältnismäßig beeinträchtigen würde“, und andererseits „knappe oder mangelnde Ressourcen des Informationspflichtigen“ keinen ausreichenden Grund für die Verweigerung der Informationserteilung darstellen. Es sind ja eben diese knappen oder mangelnden Ressourcen des Informationspflichtigen, die die wesentliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung der sonstigen Tätigkeit des Organs verursachen.
ad § 11 Abs. 2: Im Falle der Nichterteilung von Informationen durch Organe der Gesetzgebung gibt es keinen Rechtsschutz für die AntragstellerInnen. Es ist schon beachtenswert, dass das, was ein gesetzgebendes Organ anderen Institutionen zumutet, für es selbst offenbar als unzumutbar erachtet.
Weiters fehlen Regelungen hinsichtlich der Ausgestaltung eines besonderen Rechtsschutzverfahrens in Hinblick auf die Gerichtsbarkeit.
ad § 13 Abs. 3: Die GÖD fordert, Pensionskassen – insbesondere die Bundespensionskasse – ebenfalls von der Informationspflicht auszunehmen. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand geht ausschließlich zu Lasten der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten.
Für Pensionskassen gibt es bereits sehr umfangreiche Transparenzvorschriften. Sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene existiert eine sehr spezielle, für Pensionskassen maßgeschneiderte Regulatorik.
Gem. § 25 Abs. 1 Z 1 und 2 PKG sind die Vermögenswerte zum größtmöglichen langfristigen Nutzen der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten insgesamt zu veranlagen. Im Falle eines möglichen Interessenkonfliktes haben die Veranlagungsentscheidungen einzig und allein im Interesse der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten zu erfolgen. Um dies nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch so gut wie möglich sicherzustellen, lässt das PKG als gesellschaftsrechtliche Form einer Pensionskasse einzig und allein die Aktiengesellschaft zu – mit zahlreichen ergänzenden Modifikationen.
Wenn nun aber „jedermann“ ein Auskunftsrecht bei einer (teil-)staatlichen Pensionskasse hat, könnte „jedermann“ primär Interessen haben, die nicht im Einklang mit den Interessen der Begünstigten der Pensionskasse stehen. Die an„jedermann“ erteilten Auskünfte könnten zum Versuch der Durchsetzung von Interessen verwendet werden, die den Interessen der Begünstigten der Pensionskasse zuwiderlaufen.
Die Begünstigten einer (teil-)staatlichen Pensionskasse sollen weiterhin uneingeschränkt und ohne jeden gegenteiligen Anschein darauf vertrauen können, dass ihre Pensionskasse ausschließlich in ihrem Interesse tätig sein wird. Internationale Regulierungen berücksichtigen das Vorstehende. Eine solche Berücksichtigung ist auch in der innerösterreichischen Gesetzgebung weiterhin erforderlich.
Ein rezentes Beispiel für diese Berücksichtigung auf EU-Ebene ist die erst kürzlich in Kraft getretene Verordnung (EU) 2019/2088 vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor(„Offenlegungs-VO“). Diese Verordnung erfasst sehr viele Finanzmarktteilnehmer (Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften, Pensionskassen u. a.) und verlangt zahlreiche Veröffentlichungen. Es gibt darin allerdings eine Sonderregelung ausschließlich für Pensionskassen, sodass deren sehr umfassenden Veröffentlichungspflichten sich nicht an die allgemeine Öffentlichkeit richten, sondern lediglich an alle Begünstigten der Pensionskasse.Schon jetzt haben die Pensionskassen sehr umfangreiche Transparenz- und Auskunftspflichten gegenüber ihren Begünstigten, deren VertreterInnen und deren ArbeitgeberInnen.
Pensionskassen sind in einer vergleichbaren Situation zu anderen vom IFG nicht erfassten Institutionen (etwa gesetzliche berufliche Vertretungen, die, wie schon bisher, nur gegenüber ihren Angehörigen verpflichtet sind, Zugang zu ihren Informationen zu gewähren).
Auch zu börsennotierten Aktiengesellschaften, die gem. § 13 Abs. 3 von der Informationspflicht ausgenommen sind, gibt es bei den Pensionskassen, die ja auch Aktiengesellschaften sind, de lege lata viele Ähnlichkeiten. Es besteht allerdings der wesentliche Unterschied, dass die AdressatInnen der sehr umfassenden Informationspflichten der Pensionskassen nicht die allgemeine Öffentlichkeit und auch nicht nur die AktionärInnen sind, sondern im Wesentlichen alle Begünstigten der Pensionskasse, deren VertreterInnen (insbesondere Betriebsrat, Gewerkschaft) und deren ArbeitgeberInnen. Es ist daher wohl schon allein auf Grund der Gleichbehandlungspflicht geboten, die Pensionskassen in § 13 Abs. 3 aufzunehmen.
Abgesehen davon gibt es bereits jetzt bzw. durch die anderen Bestimmungen des IFG erhöhte Informationsrechte der Öffentlichkeit bei Pensionskassen im (teil-)staatlichen Eigentum verglichen mit Pensionskassen im ausschließlich privaten Eigentum:
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Bei Pensionskassen im (teil-)staatlichen Eigentum wird deren (teil-)staatlicher Eigentümer der Informationspflicht gemäß IFG unterliegen.
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Eine (teil-)staatliche Pensionskasse muss auf Grundlage des Bundes Public Corporate Governance Kodex jährlich einen Corporate Governance Bericht mit umfangreichen Informationen zu ihrer eigenen Governance veröffentlichen. Die in diesem Bericht enthaltenen Informationen gehen deutlich über die Veröffentlichungspflichten anderer Pensionskassen hinaus.
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Die teils sehr umfangreichen Berichte des Rechnungshofs über die Prüfung (teil-)staatlicher Pensionskassen werden mit vielen Detailinformationen veröffentlicht. Vergleichbare Veröffentlichungen gibt es bei anderen Pensionskassen nicht.
ad § 15 Abs. 1: Eine informationspflichtige Institution hat in der Regel binnen vier Wochen über ein Informationsbegehren zu entscheiden bzw. die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Wendet sich diese zuvor an die Datenschutzbehörde, ist diese Frist ohne begleitende Maßnahmen kaum einzuhalten. Es wäre daher sinnvoll, der Datenschutzbehörde eine der Frist zur Beauskunftung angepasste Frist für ihre Beratungs- und Unterstützungsleistungen zu setzen.
Unklar ist weiters, welche Rechtsqualität einer datenschutzbehördlichen Beratung zukommt und wie verbindlich diese für die anfragende Stelle ist.
Die Datenschutzbehörde wird als beratende Behörde für die informationspflichtigen Institutionen festgelegt. Gleichzeitig wird in den Erläuterungen hinsichtlich des Rechtsschutzes der von der Informationserteilung betroffenen Personen ausgeführt: „Erachtet sich der von der Informationserteilung Betroffene in seinem Grundrecht auf Datenschutz als verletzt, bleibt es ihm unbenommen, Beschwerde an die Datenschutzbehörde (gemäß § 24 DSG iVm. Art. 77 DSGVO) [zu] erheben.“ Wie soll diese Behörde verfassungskonform einerseits die datenschutzrechtliche Beratung der Informationspflichtigen vornehmen und andererseits bei Beschwerden der von der Informationserteilung betroffenen Personen unabhängig agieren können?
Unklar ist letztlich auch, wie die Datenschutzbehörde mit Informationen umgehen soll, die sie im Zuge der Beratungstätigkeit erhält, und ob diese ein amtswegiges Vorgehen der Datenschutzbehörde als Aufsichtsbehörde auslösen sollen.
ad § 19 Abs. 2: Darin wird u.a. normiert, dass die Erlassung von Durchführungsverordnungen hinsichtlich des § 12 dem Bundesminister für Finanzen obliegt. § 12 enthält allerdings keinen Verordnungsspielraum.
HochachtungsvollMag. Dr. Eckehard Quin
(Bereichsleiter Kollektivverträge und Dienstrecht)
Es sind die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den deutlichen Mehraufwand abzudecken, der durch diese Gesetzesänderung entsteht.