Kinderbetreuungsgeldgesetz: Wahrheit und Märchen
Text: Doris Bayer: GÖD-Frauensekretärin
Am 15. März 2017, zwei Wochen nach Inkrafttreten des neuen Kinderbetreuungsgeldgesetzes, war in einer regionalen Zeitung im Süden Österreichs Folgendes getitelt: „43.000 Euro für moderne Paare, 15.450 für gestrige“. Das klingt nicht nur unglaublich, man fragt sich auch, wie es denn zu so einer gewaltigen Differenz kommen kann und was man tun muss, um nicht zu den unmodernen, (ewig) Gestrigen zu gehören und 27.550 Euro mehr zu erhalten. Für diejenigen, die sich bis dato (noch) nicht mit den Themen Karenz und Kinderbetreuungsgeld (KBG) auseinandersetzen mussten, ein kleiner Exkurs: Für Geburten ab 1. 3. 2017 gibt es Neuerungen bezüglich des Geldes in Zeiten der Kinderbetreuung. Statt der vier Pauschalvarianten gibt es nun ein Konto, bei dem ein Gesamtbetrag von 15.450 Euro zur Verfügung steht, wenn beide Elternteile Kinderbetreuungsgeld beziehen und somit das Konto voll ausschöpfen. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld blieb bestehen. Bei unserem Rechenbeispiel (43.000 Euro versus 15.450) nahm man drei Jahre Kinderbetreuung an. Entweder durch die Eltern selbst – mit Inanspruchnahme des Kindergeldkontos – oder nur ein Jahr durch die Eltern – mit einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld – und danach zwei Jahre Betreuung in einer Krippe. Die Länder fördern Krippenplätze mit unterschiedlichen Summen, in unserem konkreten Fall wurden 800 Euro pro Monat veranschlagt. Nicht nachvollziehbar ist, warum man nicht bei beiden Beispielen von der gleichen Grundsumme ausgegangen ist, entweder Konto oder einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Natürlich würde es auch bei einer übereinstimmenden finanziellen Ausgangslage zu einer Differenz kommen, aber sie wäre nicht ganz so plakativ. Der Unterschied läge dann nämlich nur in der Förderung, die man aber nicht als Guthaben auf dem Bankkonto wiederfindet, weil sie den Eltern ja nicht ausbezahlt, sondern von ihren Kosten für einen Betreuungsplatz abgezogen wird. Somit hätte dann sowohl das moderne als auch das gestrige Paar exakt die gleiche Summe an Kinderbetreuungsgeld zur Verfügung. Einzig die Betreuungskosten nach dem ersten Lebensjahr wären unterschiedlich, denn trotz Förderung ist ein Krippenplatz natürlich nicht gratis.
Neuerungen beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld
Die zweite Ungeheuerlichkeit, die in den Medien Wellen schlug, war der Verlust von zigtausenden Euros durch den Wegfall des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes beim zweiten Kind. Nun, auch das darf man nicht ganz so im Raum stehen lassen. Als die einkommensabhängige KinderbetreuungsgeldVariante 2010 eingeführt wurde, dachte man in erster Linie an die Auswirkungen einer Karenz auf den Karriereverlauf von Frauen. Um diesen „Knick“ in der Berufslaufbahn zu verhindern, wurde politisch vereinbart, Mütter nach einem Jahr Karenz, in dem ihr Lebensstandard möglichst erhalten bleibt, zur Rückkehr in den Beruf zu bewegen. Daher viel Geld und kurze Dauer. Dass sich aber viele Mütter dazu entschlossen haben, das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld zu wählen und danach ein zweites Jahr ohne finanzielle Unterstützung des Sozialstaats in Karenz zu bleiben, war nicht der Grundgedanke dahinter. Ebenso war bei der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes vorgesehen, dass bei einer neuerlichen Schwangerschaft nur dann ein Anspruch auf Wochengeld besteht, wenn das Beschäftigungsverbot für das zweite Kind noch während des Bezuges von KBG eintritt. Dies hat der OGH aber anders entschieden. Was sich als äußerst unfair gegenüber den Müttern, die nach Ende des KBGs fürs erste Kind wieder arbeiten gingen, herausstellte. Sie erhielten nämlich geringeres Wochengeld als jene, die nicht arbeiten gingen. Um die ursprüngliche Idee wieder aufzunehmen und umzusetzen, wurde bei der Novelle eine Änderung zum Wochengeld durchgeführt. In Zukunft erwirbt man nur unter den ursprünglichen Anspruchsvoraussetzungen einen Wochengeldanspruch. Oder man muss wieder arbeiten gehen. Gibt es aufgrund einer Karenz jedoch kein Einkommen, hat man keinen Anspruch erworben. Da sich das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld aus dem Wochengeld errechnet, ist es nicht mehr sinnvoll, diese Variante zu wählen.
Weiterentwicklung der Familienpolitik
Trotz all dieser Tücken bleibt die Tatsache bestehen, dass das KBG-Konto im Zusammenhang mit dem Familienzeitbonusgesetz und dem Partnerschaftsbonus eine wichtige Weiterentwicklung für das gesamte gesellschaftspolitische Thema Familie bedeutet. Selbstverständlich steht die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nach wie vor für alle Gewerkschaftsmitglieder zur telefonischen Beratung zur Verfügung.
Erschienen im GÖD-Magazin 4/17 auf Seite 46 -47.